Shareholder-Value, Reichensteuer, Erbschaftssteuer, Offenlegung von Vermögensverhältnissen … immer wieder geht es von gesellschaftlicher oder staatlicher Seite um die Frage, was ein Unternehmen eigentlich wert ist. Aus der Sicht eines Familienunternehmers kann ich dazu nur sagen: Die Frage ist belanglos, unwichtig und völlig theoretisch!

Prof. Malik aus der Schweiz äußert seit Jahrzehnten vehement Kritik an dem Thema Shareholder-Value mit einem Grundsatz der Volkswirtschaftslehre: In der Wirtschaft gibt es keine Werte, nur Preise. Der Wert eines Gutes ist immer nur genauso hoch, wie der nächste Käufer bereit ist, dafür zu bezahlen. Dies ist nicht nur ein völlig subjektiver Wert, sondern auch ein Betrag, der jederzeit anders aussieht. Man kann insbesondere den Wert eines Unternehmens nicht objektiv errechnen – ja, noch nicht einmal annähernd bestimmen. Jeder Versuch über Formeln im Steuerrecht oder sonstige Gutachten etc. ist aus der Sicht vieler Familienunternehmer einfach lächerlich.

Damit unterscheiden sich langfristig denkende Familienunternehmer anscheinend deutlich vom „neuen Markt“ oder von sogenannten Start-ups, die schon bei der Gründung das Ziel verfolgen, nach einer steilen Anfangsphase in absehbarer Zeit „Kasse“ zu machen. Diese Denkweise mag durchaus ihre Berechtigung haben und für eine extreme Dynamik besonders in den neuen, schnelllebigen Technologiemärkten sorgen.

Wer jedoch langfristig denkt, den interessiert ein Verkauf seines Unternehmens und der damit mögliche Erlös zunächst einmal herzlich wenig. Es geht vielmehr darum, das Unternehmen auf längere Sicht erfolgreich zu entwickeln, es immer wieder den veränderten Märkten anzupassen, Innovationen auf den Markt zu bringen, gute Leute zu finden und zu halten. Und dabei gerne wachsen, wenn es der Markt erlaubt, die Risiken begrenzen und die Profitabilität sichern. Wem dies gelingt, der kann als Unternehmer zumeist gut oder sehr gut davon leben – mit dem Risiko, dass sein gesamtes Einkommen, sein Vermögen, seine Altersabsicherung und seine Reputation wegbrechen, wenn die nächste Krise kommt oder das Unternehmen aus anderen Gründen in eine Schieflage gerät.

Was interessiert hier der Wert des Unternehmens? Es ist doch nur eine theoretische Größe, anhand derer Steuern berechnet oder ein Neidfaktor quantifiziert werden soll. Nur für den Fall, dass der Unternehmer sich vom Unternehmen trennt – durch eine Nachfolge oder einen Verkauf zum Beispiel –, wird anhand vieler Berechnungen und noch viel komplizierterer und vor allem unsicherer Zukunftsprognosen versucht, einen genauen Wert zu ermitteln und ihn am Markt zu erzielen.

Sehr weltfremd und doch bezeichnend für die heutige Zeit, ist der enorme Aufwand, mit dem Wirtschaftsprüfer und Wissenschaftler genauestens Unternehmenswerte ermitteln und im Fachjargon begründen wollen. Es geht hier um Rechenmodelle, die mit fast beliebiger Komplexität in allen Tiefen verfolgt und mit ausgetüftelten Faktoren belegt werden. Basis für all diese komplizierten Verfahren sind aber eben nur vage Zukunftsprognosen des Managements! Jeder Unternehmer weiß, dass nichts so unsicher ist wie die Zukunft eines Unternehmens. Keine Prognose tritt in der Realität so ein wie vorhergesagt. Die sogenannte „Prognosegenauigkeit“ von großen, am Aktienmarkt gehandelten Unternehmen beruht nach meiner Überzeugung in erster Linie auf einer sehr hohen Kunst der Buchführung, deren Ergebnisse in ganz legalem Rahmen hervorragend jeder Prognose angepasst werden – bis es hin und wieder zu einer großen „Korrektur“ kommen muss.

Einige, mir persönlich bekannte, Familienunternehmer vertreten im anderen Extrem die Ansicht, dass das Unternehmen ihnen gar nicht im eigentlichen Sinne „gehöre“, sondern sie es nur für die nächste Generation verwalten und verbessern wollen. Diese Ansicht teile ich nicht – schon deshalb nicht, weil die „nächste Generation“ keinerlei Verpflichtungen zum Einstieg haben sollte. Auch ist es Aufgabe und Pflicht des Unternehmers, sein Unternehmen stets dem Markt anzupassen, zu verändern und ggf. sogar neu zu erfinden. Hier kann der Gedanke vom „Bewahren“ und „Verwalten“ in zu konservativer Auslegung sogar destruktiv wirken.

Also, was interessiert ein „Unternehmenswert“ als fiktive Zahl, die sich von Jahr zu Jahr je nach Marktsituation, Zukunftsprognose, Konjunktur, Zinsniveau, technologischer Entwicklung und allgemeiner Unternehmenssituation ändert? Er ist irrelevant – konzentrieren wir uns lieber auf das, worauf es ankommt: die Kunden von heute und morgen und unsere Mitarbeiter.