Gescheitert!

Es ist Anfang November 2016: ein trüber Monat, an dem ich spät am Abend in Stavanger lande. In Regen und Dunkelheit suche ich mir den Weg zum nahegelegenen Hotel und denke voller Wehmut und Traurigkeit an die ersten Besuche in diesem wunderschönen Land vor zwei Jahren zurück. Was damals voller Hoffnungen und Erwartungen mit einem kleinen Joint Venture begann, geht jetzt zu Ende – mit finanziellen Verlusten und hohem persönlichen Einsatz vieler Mitarbeiter, der umsonst war. Am nächsten Tag beschließen wir im Bordmeeting das Ende der Produktion und die kontrollierte Abwicklung des von uns mit gegründeten Unternehmens. Ein Traum von unserer unternehmerischen Zukunft in Skandinavien mit einem Standbein vor Ort geht schmerzhaft zu Ende.

Es ist eine der größeren Niederlagen als Unternehmer in meiner über 20-jährigen Laufbahn. Für den Verlust und die Fehlentscheidung, in dieses Joint Venture zu investieren, kann ich niemanden außer mir verantwortlich machen. Anstelle eines Ausbaus von Marktanteilen und der Eroberung neuer Kunden steht die Abwicklung eines neu gegründeten Unternehmens, der Verlust von etwa 25 Arbeitsplätzen und verlorene personelle und finanzielle Ressourcen.

Warum? Was hat nicht funktioniert?

Interessanterweise waren es hier nicht die „Sollbruchstellen“, vor denen wir im Vorfeld ausgiebig gewarnt wurden und auf die wir vorbereitet waren. Die Kommunikation mit unseren Partnern vor Ort und dem Management war immer gut – trotz der sprachlichen Barrieren. Sicher haben hierzu die enorme Offenheit und gewohnte Internationalität der Norweger besonders in Stavanger beigetragen. Auch unsere Mitarbeiter in Radevormwald sind mit großer Aufgeschlossenheit, Engagement und Vertrauen in die Partnerschaft gegangen. Über kulturelle Distanzen hinweg war der gegenseitige Respekt und ein stetes Bemühen um das Verständnis des anderen immer gegeben. Das Vertrauen stimmte daher.

Auch die Abstimmung mit dem lokalen Joint-Venture-Partner war trotz nicht immer gleicher Interessen fast immer sehr gut und verlässlich. Man konnte sich auf das Wort verlassen, einander vertrauen und auch, wenn es oft etwas länger dauerte, stimmte die Umsetzung von Vereinbarungen.

Dramatisch schwieriger als gedacht war es hingegen, in ein Unternehmen als Partner einzusteigen, das seit Jahren bereits Verluste schrieb und am Boden lag. Auch mit neuem Management konnten wir die Unternehmenskultur innerhalb von zwei Jahren nicht wesentlich verändern. Probleme wurden von den Mitarbeitern kommentarlos hingenommen. Der Wille zur Verbesserung fehlte auf allen Ebenen. Missstände in der Organisation, der Technik wie am Inventar wurden nicht beseitigt – man war zu sehr daran gewöhnt, damit zu leben. Nach dieser Erfahrung frage ich mich, wie es überhaupt möglich ist, ein Unternehmen „zu wenden“, welches über Jahre bis in die Insolvenz gewirtschaftet wurde. Bei den Mitarbeitern und den Vorgesetzten scheint jeder Wille abhanden gekommen zu sein, für ein positives Ergebnis zu kämpfen und an den kleinen wie großen Problemen zu arbeiten.

Konjunkturell kam hinzu, dass wir in einer Zeit investierten, in der es in der Öl- und Gasindustrie in Norwegen sogar noch weiter bergab ging und die Talsohle noch nicht, wie erwartet, erreicht worden war. Es ist dramatisch, wie sehr die Norweger von dem Verfall der Ölpreise an der Westküste betroffen sind. Viele Unternehmen in dieser Branche haben 50 bis 80% ihrer Umsätze verloren und müssen extreme Anpassungen vornehmen, wenn sie überhaupt überleben können. „Greife nie in ein fallendes Messer“ heißt es – die Kunst ist zu erkennen, wann das Messer nicht mehr weiter fällt und man es wieder in die Hand nehmen kann. Diesen Zeitpunkt haben wir mit der Gründung unseres Joint Ventures wirklich grandios falsch eingeschätzt.

Last but not least: „Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast“. Wir haben erst zum Ende hin eine Führungskraft aus Deutschland entsandt und uns bis dahin auf die sehr optimistischen und eher oberflächlichen Prognosen unseres Managements vor Ort verlassen. Immer wieder wurde uns eine Trendwende in Aussicht gestellt und mit konkreten Kundenaufträgen begründet, die jedoch nie so eingetreten ist. Wir unterstellen hier keine böse Absichten – aber ich hätte die Prognosen mehr hinterfragen müssen und mir öfter durch Kundenbesuche vor Ort persönliche Eindrücke verschaffen müssen. Gerade über sprachliche und kulturelle Unterschiede ist es eine hohe Herausforderung, Aussagen und Prognosen richtig zu deuten und eine realistische Einschätzung der Marktsituation vorzunehmen.

Insgesamt war unser Engagement in Norwegen eine Erfahrung, die viel Geld und Zeit gekostet hat und aus der wir so viel wie möglich lernen müssen. Es ist nicht das erste Engagement in ein fremdes Unternehmen und es wird nicht das letzte Engagement in ein anderes Unternehmen sein. Wir müssen lernen.

Leider weiß ich nicht mehr, wer sagte: „es kommt nicht darauf an, wie oft Du hinfällst, sondern darauf, dass Du mindestens einmal öfter wieder aufstehst.“ In diesem Sinne auf zu neuen Taten, mit hoffentlich besseren Entscheidungen in der Zukunft.