China – wandert die Wertschöpfung auch unserer Branche in ein unsicheres Land ab? 

Verlieren wir in Deutschland und Europa immer mehr Wertschöpfungsketten an den asiatischen Wettbewerb? Wo liegen dann noch unsere Chancen in der Zukunft? 

Deutschland steht als ehemaliger Exportweltmeister wie kaum ein anderes Land für Technik, Ingenieurwesen, Maschinenbau und hervorragende Automobile. Doch die Welt verändert sich und wir erleben in diesen Jahren in immer mehr Branchen eine komplette Verlagerung von Wertschöpfungsketten nach Asien. Diese Veränderungen sind keine kurzfristigen Entscheidungen für oder gegen Lieferanten aus Wettbewerbsgründen. Diese Veränderungen verlagern mittelfristig ganze Strukturen – inklusive Forschung und Entwicklung. 

Wir haben dies bereits vor 20 Jahren im Bereich der Zulieferer für die Chemieindustrie in unserer Branche gesehen, als in Europa kaum noch in die chemische Industrie investiert wurde, in China aber ein zweites „Ludwigshafen“ in noch größerer Dimension entstand. Wir fertigten damals Kugeln für Kugelhähne in großen Stückzahlen, es war unser Hauptprodukt. Innerhalb weniger Jahre zogen unsere Kunden nach Asien um oder verschwanden fast vollständig. Nur ein Bruchteil der Wertschöpfung verblieb in Deutschland für Reparaturen oder Spezialanwendungen. Auch die Forschung und Entwicklung verlagerten sich in der Folge nach Asien. Die Leitmesse Achema zeigte dieses Bild in aller Deutlichkeit.  

Aktuell erleben wir in der Automobilindustrie eine ähnliche Entwicklung, verfolgen diese aber nur indirekt, da wir zu diesem Markt kaum Berührungspunkte haben. Die Auswirkungen für den Industriestandort Deutschland dürften aber noch deutlich dramatischer sein. Wenn beispielsweise im Bereich der Motoren- und Antriebstechnik ganze Werke mit ihren Zulieferstrukturen in Deutschland geschlossen werden und diese Wertschöpfung in erster Linie nach China geht, wird dies nie wieder zurückkommen. Mit der Wertschöpfung verschwindet auch das Wissen –  und letztlich die gesamte Industriestruktur.  

Der enorme Druck durch massive Überkapazitäten aus China in Kombination mit der anhaltenden wirtschaftlichen Schwäche im Inland führt dazu, dass systematisch Exportindustrien vom chinesischen Staat mit Investitionen und Exportzuschüssen gefördert werden. Das basiert auf den Aussagen unserer asiatischen Partner, die tief in den chinesischen Strukturen vernetzt sind und die Verhältnisse vor Ort genau kennen.  

So entstehen in China neue Anlagen und ganze Werke auch in unserer Branche, die uns teilweise sehr genau kopieren, dabei aber vollständig auf „Made in China“ setzen – also mit entsprechend niedrigeren Sicherheits- und Qualitätsstandards. Von außen und ohne Fachkenntnisse erscheinen sie dennoch als vorzeigbare Produktionsstätten. 

Sie sind offenbar gut genug, um bei ersten Lieferungen die Qualitätskontrollen zu bestehen. Damit haben sie bei unseren Kunden den ersten Fuß in der Tür. Ob sich jedoch in China seit der Coronazeit ein so grundsätzlicher Wandel vollzogen hat, dass die Produktion dort plötzlich nachhaltig, kontrolliert und sicher geworden ist, darf dabei bezweifelt werden. Unter dem extremen Wettbewerbsdruck im chinesischen Inland wurde bisher immer jeder Kostenvorteil genutzt: minderwertiger Guss wurde repariert, Analysen gefälscht, Prüfungen nur auf dem Papier durchgeführt und Bescheinigungen über Werkstoffeigenschaften zum Teil frei erfunden – so zumindest hört man es immer wieder.  

Sicherheitsstandards an Maschinen und Anlagen sind auch heute noch weit hinter unserer Produktion. Das belegen Erfahrungen unserer asiatischen Partner aus jahrzehntelanger Praxis, das habe ich selbst durch meine eigenen Besuche vor Ort erlebt und das sieht man an aktuellen Bildern von Schleudermaschinen im Internet wie diesem: 

Anmerkung: Dieses Bild stammt aus öffentlich zugänglicher Quelle eines unserer Wettbewerber aus China vom April 2025. Man produziert hier Bauteile bis zu einem Durchmesser von 1,6 Metern ohne jede Schutzeinrichtung. Bei einem Unfall einer Schleudergießerei in Europa im Frühjahr 2025 wurden unter ähnlichen Bedingungen mehrere Menschen schwer verletzt. Unsere aufwendigen Schutzeinrichtungen an unseren Maschinen in Deutschland verhindern derartige Unfälle. 

Mit unserer Schleuderguss-Technologie haben wir übrigens mittlerweile über Jahrzehnte so viel Know-how angesammelt, dass wir diese inklusive modernster Automatisierung und Datenerfassung zur Digitalisierung auch in Europa mit der Kuhn Innovation GmbH externen Unternehmen erfolgreich verkaufen. 

Dennoch – unsere Produktion leidet in Deutschland unter stark steigenden Kosten bei kaum wachsender Produktivität. Hohe Investitionen in die Automatisierungstechnik werden durch die steigenden Personalkosten der letzten Jahre und die hohe Inflation mehr als verzehrt. Preiserhöhungen sind unvermeidlich.  

Durch den demographischen Wandel und die immer geringere Qualifikation – von Schülern bis zu neuen, ausgebildeten Mitarbeitenden – ist es eine hohe Herausforderung, unsere Liefertermine mit höchstem Qualitätsniveau zu sichern. Wir meistern diese Herausforderungen – aber es braucht Zeit und Kraft, mehr als gedacht. Wir denken dabei aber immer nachhaltig und langfristig, wir investieren in Qualität und Sicherheit, die Rahmenbedingungen und in die Reduzierung unseres CO2-Abdrucks. 

In dieser Phase greifen unsere chinesischen Wettbewerber, staatlich unterstützt, massiv in unseren Märkten an. Unsere Kunden stehen – ebenso wie wir – unter starkem Kostendruck und können bei serienähnlichen Produkten den „Verlockungen“ der günstigen Angebote aus China kaum widerstehen.  

Ausnahmen bleiben wichtige Branchen wie die Energietechnik. Hier leben wir seit Jahrzehnten mit massivem Wettbewerb aus Indien und China. Doch gerade in der Coronazeit und in der anschließenden Energiekrise in Deutschland konnten wir unseren Kunden unsere anhaltende Lieferfähigkeit eindrucksvoll unter Beweis stellen. „Resiliente Lieferketten“ haben für unsere Kunden spätestens seitdem eine enorm hohe Priorität. Sie setzen auf uns und den Standort Deutschland, um auch in unruhigen Zeiten mit Produkten höchst zuverlässiger Qualität versorgt zu werden. Hier erleben wir einen regelrechten Auftragsboom – auch getrieben durch steigende Energiebedarfe und innovative Technik in den westlichen Märkten. 

Deutschlands Stärke ist die Industrie – der Maschinenbau. Wir waren und sind immer noch ein Land der Ingenieure. Wir wollen uns hier auf unsere Kernkompetenzen konzentrieren und diese konsequent weiterentwickeln. Wir konzentrieren uns auf die Nischen, die sich für uns weiterhin lohnen. Wir bieten mit Werkstoffen und individuellen Produkten unseren Kunden im Maschinen- und Anlagenbau den Mehrwert, der sie am Weltmarkt erfolgreich macht. 

Wie geht es in unserer Branche weiter? Wir vertrauen auf die Innovationskraft, die immer noch weltweit beste Ausbildung von Mitarbeitenden, Weiterbildung und auf die Umsetzung von neuen Organisationsformen und Technologien in der Produktion. 

Von staatlicher Seite erwarten wir keine Förderung – sondern das Beseitigen von Hindernissen, besonders im Bereich der Energieversorgung, der Regulierung und der extrem komplizierten Besteuerung. Wir hoffen darüber hinaus auf eine erfolgreiche Migration von Menschen aus anderen Regionen der Welt, die nach Deutschland kommen wollen, um sich eine Zukunft aufzubauen, zu lernen und sich etwas zu erarbeiten. Auch dafür gibt es in unserer Gruppe viele positive Beispiele. 

Wir können allerdings nur hoffen, dass unsere Kunden dies ähnlich sehen – dass sie ihre Wertschöpfung weiterhin in Europa halten. Denn damit stärken sie letztlich die Strukturen in Deutschland, auf die sie langfristig angewiesen sind: sicher, nachhaltig und zukunftsorientiert.