Kauf, Verkauf und Bewertung von Unternehmen

Wie entsteht der “Preis” für ein Unternehmen? Können Sie sich vorstellen, in wenigen Jahren 100 Millionen Euro zu verdienen? Und warum spielt dies für einen Familienunternehmer im Grunde keine Rolle?

Als potenzieller Kapitalanleger hatte ich die Möglichkeit, im Januar 2012 die Präsentation eines Private Equity Fonds durch einen der vier innehabenden Direktoren erleben zu können. Dieser Fond hat sich auf den An- und Verkauf von in Not geratenen, traditionellen mittelständischen Unternehmen spezialisiert, deren geschäftlicher Schwerpunkt im deutschsprachigen Raum liegt. Man hat dort eine sehr klare Vorstellung von dem Profil eines zum Ankauf geeigneten Unternehmens. Bei der Selektion der Kaufgelegenheiten wird mit größter Sorgfalt vorgegangen – man schaut sich im Jahr 200 bis 300 Unternehmen genauer an, von denen zwei bis drei letztendlich gekauft werden. Bei diesen Unternehmen kann ein klassisches Nachfolgeproblem vorliegen, eine unfähige kaufmännische Leitung oder eine strategische Fehlentscheidung in der Vergangenheit, die es in eine existenzbedrohende Lage gebracht hat. Da klassische Mittelständler ohne “Wachstumsfantasien” für den “typischen” Private-Equity-Markt nicht interessant sind, bewegt sich dieser Fond in einer recht engen Marktlücke und bewahrt diese Art von Unternehmen oft vor der Insolvenz. Der Fond stellt dann eigene “Operating Officers” in das gekaufte Unternehmen ab und schafft es bisher immer innerhalb von zwei bis fünf Jahren, die Unternehmenssituation dramatisch zu verändern und das Unternehmen äußerst gewinnbringend wieder zu verkaufen.

“Äußerst gewinnbringend” bedeutet in diesem Fall, dass in den letzten 15 Jahren der Tätigkeit ca. 40 Unternehmen gehandelt wurden, von denen nur zwei eine Summe knapp unter dem Einstandspreis erbracht haben. Die meisten Unternehmen in der Umsatz-Größenordnung von 30 bis 300 Mio. Euro pro Jahr wurden für einen einstelligen Millionenbetrag gekauft und für einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag nach der Sanierung erfolgreich wieder verkauft.

Auf Basis der vorgestellten Zahlen wurde mir bewusst, dass der Direktor, welcher das Geschäftsmodell höchst professionell präsentierte, in den vergangenen zehn Jahren vermutlich persönlich eine Summe von über 100 Mio. Euro verdient hat. Abends versuchte ich meinem Sohn diese Summe begreiflich zu machen, doch auch unter “dies entspricht ziemlich genau 400.000 Jahren Taschengeld für dich” konnte er sich nicht wirklich etwas vorstellen.

Ich bitte darum, dies nicht falsch zu verstehen – es handelt sich um einen legalen und seriös operierenden Fond, der auf professionelle Weise Unternehmen kauft, die andernfalls oftmals in die Insolvenz gegangen wären, und an Konzerne oder andere Private-Equity-Fonds wieder verkauft, die diesen Preis rein freiwillig und auf Basis ihrer eigenen Bewertung bezahlen. Die in der Präsentation vorgestellten Unternehmen existierten alle noch und waren zumeist lukrativ am Markt tätig. Die höchst erfolgreichen Direktoren dieses Fonds sollen ihren Wohlstand gerne in vollen Zügen genießen können. Man kann argumentieren, dass sie zahlreiche traditionelle Mittelständler vor einer Insolvenz bewahrt haben und dem Unternehmen wie auch den Mitarbeitern eine tragfähige neue Zukunftsperspektive verschafften.

Anhand dieses Beispiels stellt sich jedoch die Frage nach dem Sinn und der Tauglichkeit von Unternehmensbewertungen bei einem Kauf oder Verkauf.

Noch ein extremes Beispiel gefällig? Facebook wird in der Presse auf einen Wert von ca. 100 Milliarden (nicht Millionen, es handelt sich nicht um einen Schreibfehler!) US-Dollar geschätzt und versucht, an der Börse zu platzieren. Damit wird jeder angemeldete Nutzer auf einen Wert von ca. 1200 US-Dollar taxiert. Anhand dieser Vergleichsrechnung wird schnell deutlich, um welch einen Irrsinn es sich bei dieser Bewertung handelt – wie es ihn in der jüngeren Vergangenheit oft gegeben hat.

“Der Wert eines Gutes ist genau der Preis, welcher der nächste Käufer hierfür bereit ist zu bezahlen. Eine Aktie hat keinen Wert an sich”, schreibt Prof. Fredmund Malik.

An den heutigen Finanzmärkten werden unglaubliche Summen bewegt, deren Bezug zur Realwirtschaft für einen Mittelständler immer weiter verloren geht. Während in der Realwirtschaft der Wettbewerb zunehmend internationaler und härter wird und um Prozente hart gekämpft werden muss, entstehen beim Handel von Unternehmen, Aktien, Immobilen oder Rohstoffen sehr schnell so große Kursgewinne (und auch -verluste), dass sie in der Realität schwer nachvollziehbar erscheinen.

Die Bewertung seines Unternehmens ist für ein langfristig denkendes, mittelständisches Familienunternehmen in der Praxis irrelevant und völlig theoretisch. Warum ist das so?

Bei einer Unternehmensbewertung wird versucht, zukünftige Erträge abzuschätzen und auf den heutigen Tag abzuzinsen. Mit einfachen Worten: Es handelt sich um ungelegte Eier. Jeder Unternehmer hat im Lauf der Jahre erlebt, welche Unsicherheit mit einer Abschätzung der Zukunft verbunden ist – es kommt immer anders als man denkt und jeder Versuch, den finanziellen Erfolg eines Unternehmens in fünf Jahren beurteilen zu wollen, kann in der Praxis nicht ernst genommen werden – die Unwägbarkeiten an den Märkten wie auch die notwendige Geschwindigkeit zu internen Veränderungen nehmen von Jahr zu Jahr weiter zu (bitte erzählen Sie dies nicht unseren kreditgebenden Banken ).

Ein Unternehmer weiß außerdem aus Erfahrung, dass die Erträge seines Unternehmens

1. die Steuer und den Staat befriedigen müssen – es gibt keine sozialere Institution als ein gewinnbringendes Unternehmen, wo etwa 50% der Erträge (bei uns sind es sogar etwas mehr) direkt an den Staat fließen

2. aufgenommene Kredite bedienen müssen – und zwar nicht nur die Zinszahlungen, sondern auch die Tilgung, welche ein ordentlicher Kaufmann mit erforderlichen Sicherheiten sorgfältig geplant hat

3. den Mitarbeitern anteilig als Prämien zukommen sollten, denn “wenn es dem Unternehmen gut geht, soll es auch den Mitarbeitern gut gehen” hat Klaus Kuhn völlig richtig geprägt

4. für notwendige Ersatzinvestitionen und sinnvolle Ausbauinvestitionen zur Verfügung stehen müssen, um die Zukunft des Unternehmens zu sichern, und

5. in Rücklagen für schlechtere Zeiten fließen müssen, denn ein Unternehmen muss auch Durststrecken überstehen können, in denen die Liquidität abfließt und sogar eine Zeitlang Verluste geschrieben werden.

Die Erträge, welche danach übrig bleiben, stehen den Kapitalgebern zu. In guten Jahren können dies beträchtliche Summen sein, aber “man soll das Fell des Bären nicht zerteilen, bevor er erlegt ist”. Erst müssen alle Unsicherheiten überwunden, der Wettbewerb gewonnen und die Risiken im Unternehmensalltag erfolgreich bewältigt werden, bevor man daran gehen kann, die dann auch hoffentlich durchaus ansehnlichen Gewinne zu verteilen.

Alle Überlegungen im Vorfeld können sinnvolle Zielgrößen sein – man kann und darf aber nicht hiermit ohne ausreichende Sicherheiten rechnen. Genau dies geschieht jedoch häufig bei einer Unternehmensbewertung, weshalb diese für einen Unternehmer in der Praxis keine Rolle spielt und er über die gehandelten Beträge immer nur verwundert den Kopf schütteln kann.