Ray Dalio gab am 28. Feb 2025 ein bemerkenswertes Interview im Handelsblatt, welches als das „Thema des Tages“ veröffentlicht wurde. Als „prominentester US-Investor“ und Gründer des größten Hedgefonds der Welt, Bridgewater, hat er bereits mehrere Bücher zur Analyse langfristiger geschichtlicher Zyklen veröffentlicht.  

Er spricht von fünf großen Kräften, die nach seinem Verständnis seit Jahrhunderten die wichtigsten globalen Entwicklungen bestimmen. An erster Stelle nennt er den „großen Schuldenzyklus“, der „traditionell in einer Schuldenkrise und in einer politischen Krise endet.“ Aus diesen politischen Krisen leitet er bereits für die nahe Zukunft eine erheblich gestiegene Gefahr von Kriegen zwischen Staaten sowie von Bürgerkriegen innerhalb der Staaten ab. Die USA sieht er innerhalb der kommenden fünf Jahre vor der Zahlungsunfähigkeit (s. Buchtitel „How countries go broke“).  

Die Welt scheint „süchtig“ nach immer mehr Schulden zu sein. In Deutschland fordern fast alle Parteien eine Aussetzung der Schuldenbremse. Ein neues „Sondervermögen“ für den Verteidigungshaushalt soll bereits in Kürze verabschiedet werden. Europa feierte massive Ausgabenprogramme wie den „Green New Deal“, von dem nach zwei Jahren kaum noch jemand spricht – abgesehen von den Schulden, die geblieben sind. Joe Biden hat die Neuverschuldung der USA auf 6-7 % des BIP getrieben, nur um von Donald Trump womöglich noch übertroffen zu werden. China hat nach dem Hörensagen ein gravierendes Problem mit offiziellen und noch viel mehr mit inoffiziellen Schulden auf allen Ebenen der Regierung und in der Privatwirtschaft. Man spricht von Schattenkrediten mit Zinssätzen von mehreren Prozent – pro Monat! 

In der Politik erscheint es kaum noch möglich, die Ausgaben einzudämmen. Der deutsche Staat erzielt mehr Einnahmen als je zuvor (s. Grafik), obwohl die Wirtschaft seit Jahren nicht mehr wächst.  

Einnahmen des deutschen Staates von 2013 bis 2023 (in Milliarden Euro)  

Quelle: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/75242/umfrage/deutschland-einnahmen-des-staates-2008-bis-2013/ 

Die Staatsquote steigt, dennoch reichen die Mittel nicht aus. Gefühlt wechseln die Krisen immer schneller, und jede von ihnen erfordert „schnelle und entschlossene Maßnahmen“. Dabei habe ich volles Verständnis für die dringend notwendige, massive Erhöhung unseres Verteidigungsbudgets. Viel zu lange haben wir die Sicherheit in Deutschland und Europa als selbstverständlich angenommen und uns komplett von den USA abhängig gemacht.  

Doch die Verteidigung eines Landes ist kein „Add-on“, sondern Kernaufgabe jedes Staates. Wie schon Juval Harari in seinen Büchern mehrfach betont, waren Verteidigungsausgaben in der Geschichte stets mit Abstand der größte Posten. Die Verteidigung eines Landes und die damit verbundene relative Sicherheit waren der eigentliche Grund, warum Staaten überhaupt gegründet wurden. Historisch lagen die Militärausgaben bei weit über 50 % des Staatshaushaltes und es ist ein zivilisatorisch kaum zu unterschätzender Fortschritt, dass diese Ausgaben auf das heutige Niveau sinken konnten. Aktuell scheint leider eine Korrektur auf diesem langfristigen Weg zum Frieden notwendig zu sein. Diese Korrektur darf jedoch mittelfristig nicht zu zusätzlichen Schulden führen. 

Wann aber wurde ein Politiker zuletzt dafür gefeiert, dass er Einschnitte vornahm und Einsparungen durchgesetzt hat? Einsparungen sind ein langer, unpopulärer Weg. Der Erfolg zeigt sich meist erst, wenn die Legislaturperiode längst vorbei ist.  

Schulden sind nichts anderes als Kosten, die die nächste Generation zu zahlen hat – oder eine zukünftige Regierung. Die Belastung durch den Schuldendienst wächst immer weiter. Schon heute sind die Zinszahlungen der USA höher als ihr gesamtes Militärbudget – Tendenz steigend.  

Wir wissen wenig über die Zukunft – bis auf dass der demografische Wandel unaufhaltsam kommt. Schon im Jahr 2026 feiern doppelt so viele Menschen in Deutschland ihren 60. Geburtstag wie ihren 6. Dennoch müssen in Zukunft immer weniger Menschen die Zinsen und Zinseszinsen für die Schulden erwirtschaften, die sich die heutige Generation „leistet“ – und die Tendenz ist stark steigend. Diese massive soziale Ungerechtigkeit wird merkwürdigerweise besonders von den „linken“ Parteien gefordert – jenen Parteien also, die sich doch eigentlich für soziale Gerechtigkeit (nicht nur in der Gegenwart) einsetzen und von jungen Menschen gewählt werden, die diese Rechnungen später begleichen müssen.  

Als Unternehmer habe ich eine komplett andere Perspektive. Schulden sind die fixeste aller fixen Ausgaben. Sie müssen bedient werden, egal wie die wirtschaftliche Lage aussieht. Schulden kosten Zinsen – und der Zinseszins-Effekt ist eine unaufhaltsame Welle, die kaum jemand intuitiv versteht. Wer seine Schulden nicht bedient, scheidet aus dem wirtschaftlichen Leben aus. Das gilt für Privatpersonen, Unternehmen aber auch für Staaten gleichermaßen. Argentinien ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür. 

Ein schuldenfreies Unternehmen verfügt über maximale Stabilität. Es kann sich auch in Krisen schneller an veränderte Kostenstrukturen anpassen und dadurch deutlich länger überleben. Es kann Mitarbeitende länger halten und sicherere Arbeitsplätze bieten (auch wenn es absolute Sicherheit in der Wirtschaft nie geben wird). Es kann in die Zukunft investieren, anstatt alte Schulden abzuzahlen. Zudem bleibt es unabhängig vom Zinsniveau in seinen Ausgaben und Planungen. Es kann bei besonders stabilen Verhältnissen sogar antizyklisch handeln, in Krisen wachsen und neue Chancen nutzen. 

Diese Einstellung widerspricht der gängigen Wirtschaftslehre und insbesondere dem Vorgehen vieler Investoren. Zur Maximierung der Eigenkapitalrendite sei es sinnvoll, eine „angemessene“ Verschuldung einzugehen, heißt es da. Je nach Risikoappetit wird diese „angemessene“ Verschuldung manchmal großzügig ausgelegt.  

Besonders Private Equity Fonds nutzen dieses Prinzip, was ich auch aktuell immer wieder erlebe: Unternehmen werden mit Schulden beladen, Liquidität wird so weit wie möglich entzogen. Das funktioniert wunderbar in einem stabilen Umfeld, bis die nächste Krise kommt – natürlich „unerwartet“, „nicht vorhersehbar“ und „überraschend“. Wenn sie eintritt, ist das Eigenkapital schnell aufgebraucht, die Überschuldung folgt, und oft vorher schon die Illiquidität. „No risk, no fun“? Insolvenzverwalter scheinen jedenfalls immer besser ausgelastet zu sein. 

Wir Europäer lebten jahrzehntelang in einer Welt der wirtschaftlichen und militärischen Stabilität und Ruhe. Wir können uns nicht vorstellen, dass auch ein Staat insolvent werden kann – dabei ist es in der Vergangenheit immer wieder geschehen. Die deutschen Währungsreformen des 20. Jahrhunderts mit ihren katastrophalen Folgen kennen wir nur noch aus Erzählungen. All das liegt zu weit zurück. So weit, dass wir das Schuldenkarussell immer schneller drehen.  

Wir können uns nicht mehr aus dem Euro lösen, in dem Deutschland als einer der letzten Anker die Fiskalpolitik stabilisiert. Doch was passiert, wenn China oder die USA zahlungsunfähig werden? Meine Vorstellungskraft reicht nicht aus, um die Folgen eines solchen Kollapses unseres weltweiten Wirtschaftssystems und die damit verbundenen Konsequenzen für die Menschheit zu erfassen.  

Angesichts der aktuellen Lage halte ich es – leider – ebenso wie Ray Dalio für wahrscheinlich, dass wir das erleben werden. Kann man sich darauf vorbereiten? Als Unternehmer habe ich darauf keinen Einfluss. Aber es bleibt mein unternehmerisches Ziel, zumindest im eigenen Unternehmen, die Verschuldung langfristig immer weiter zu reduzieren. Aus Verantwortung für Stabilität und Verlässlichkeit – für eine Zukunft, die nicht von den Schulden der Vergangenheit belastet ist.