Wollen wir Produkte für die Rüstungsindustrie herstellen?

Der Ukraine-Krieg markiert eine Zäsur in der europäischen Geschichte. Wir haben in unserem Unternehmen seit über drei Jahrzehnten die Auffassung vertreten, keine Produkte zu liefern, die direkt in eine Angriffswaffe einfließen. Müssen wir diese Einstellung aus heutiger Sicht überdenken?

Die Produktion von Rüstungsgütern bewegt sich in einer „Grauzone“ – schon bei der Definition. Ist jedes Produkt, welches eine militärische Verwendung haben kann, ein Rüstungsgut? Kaum jemand denkt hierbei an alltägliche Dinge wie Schrauben, Werkzeuge oder Kleidung. Was ist mit Computerchips? Was ist mit Optiken oder speziell abgesicherter Elektronik?

In dieser „Grauzone“ sind wir bewusst mit unseren Produkten vertreten und diskutieren dies auch immer wieder intensiv. Unsere Zylinderlaufbuchsen werden in großen Diesel- und Gasmotoren verbaut – aber auch in Motoren, die unser Kunde MTU Friedrichshafen für deutsche Panzer produziert. Unsere hoch komplexen Komponenten für U-Boot-Masten werden von unserem Kunden Gabler Marine Technology an Werften weltweit auf Basis deutscher Ausfuhrgenehmigungen geliefert. Sie versorgen U-Boote mit Luft, Daten und Energie oder dienen ganz klassisch als Ausfahrmast für das berühmte Periskop.

Bisher haben wir jedoch immer deutlich Abstand davon genommen, Produkte herzustellen, die direkt in Waffen verwendet werden und deren primärer Zweck die möglichst effiziente Zerstörung von Gegenständen oder die Tötung von Menschen ist.

Heute stehen wir jedoch in Deutschland vor neuen Herausforderungen. Wir erkennen, dass wir auch mitten in Europa verteidigungsfähig bleiben müssen, und wir sehen die Notwendigkeit, schnell und sehr umfangreich die kaum noch vorhandene Abschreckwirkung unserer Bundeswehr und ihrer Bündnispartner wiederherzustellen. Wir erkennen, dass die dunkle Zeit der kriegerischen Bedrohungen nicht vorbei ist. Die Möglichkeit eines bewaffneten Konfliktes ist real. Deutsche Soldaten sind in den baltischen Staaten stationiert und könnten schon bald auch die ukrainische Grenze zu Russland mit sichern.

Autokraten wie Putin lassen sich nicht durch Worte abschrecken. Wir benötigen überlegene Angriffswaffen, um jeden Militärschlag gegen die NATO glaubwürdig verhindern zu können. Gleichzeitig investiert die Rüstungsindustrie massiv in den Ausbau der Kapazitäten, insbesondere in Deutschland. Dadurch entsteht ein vielversprechender, gewinnbringender Markt. Derartige Nischen sind selten geworden, und unsere Unternehmensgruppe mit fast 700 Beschäftigten und ihren Familien ist wirtschaftlich darauf angewiesen, kontinuierlich neue, zukunftsorientierte Geschäftsfelder zu erschließen und auszubauen, um unsere unternehmerische Zukunft nachhaltig zu sichern.

Vor diesem Hintergrund wurden zu Jahresbeginn 2025 zwei sehr interessante Projekte an uns herangetragen:  Komponenten für Lenkwaffensysteme und Panzergeschütze. Ein profitables, langfristiges Millionengeschäft.

Wir haben es abgelehnt, ein Angebot abzugeben!

Als Unternehmer bin ich keineswegs stolz darauf. Man könnte uns sogar vorwerfen, wir „verstecken“ uns hinter den Unternehmen und unseren Wettbewerbern, die diese Komponenten an unserer Stelle produzieren werden. Wir wollen Sicherheit in Deutschland und Europa, sind aber nicht bereit, die hierfür notwendigen Schritte zu gehen.

Doch ich kann es nicht tun. Mein Sohn und Mitinhaber Calvin sowie mein Partner in der Geschäftsführung und Mitinhaber Andreas Willim teilen hier glücklicherweise meine Meinung.

Ich kann die Ressourcen unseres Unternehmens – die Energie, Schaffenskraft, Ideen und Kompetenzen – nicht dafür einsetzen, etwas herzustellen, dessen primärer und einziger Zweck darin besteht, andere Menschen zu töten. Ich finde die Vorstellung unerträglich, ein zerstörtes Gebäude mit toten Menschen zu sehen und im Zentrum dieses Leids eines unserer Produkte. Ich habe bis heute nicht verstanden, wie und warum Menschen immer wieder andere Menschen töten können und wollen.

Es ist eine Gewissensentscheidung – fragwürdig, kritikwürdig und in heutiger Zeit auch zweifelhaft. Eine Entscheidung, die wir dennoch auch in der heutigen Zeit immer noch nicht anders treffen können.