Deutschland steht kurz vor der Bundestagswahl. Politische Kommunikation war nie die Absicht dieses Familienunternehmer-Blogs. Ich möchte mit diesem Blog Einsichten in langfristig, nachhaltig und werteorientierte Familienunternehmen geben. Diese machen nach meiner Überzeugung ein wesentliches Rückgrat der Wirtschaft und damit unserer Gesellschaft aus. Doch in der Gesellschaft scheint die Akzeptanz der weit gefassten Wirtschaft und der Unternehmen zu sinken. Meine beiden Söhne erzählen mir von immer mehr Distanz und Kritik unter jungen Menschen zu wirtschaftlichen Themen und Unternehmertum. Da wird es Zeit, sich zu Wort zu melden.
Warum spielen die Unternehmen und die Wirtschaft in dem Wahlkampf um den Bundestag kaum eine Rolle? Warum drehen sich die Trielle um die Verteilung unseres Wohlstands und erwähnen so gut wie nicht, wie man Wohlstand schafft? Was ist mit dem „Wirtschafts-Wunderland“, dem Land der „Dichter und Denker“ passiert? Seit wann sind Verbote förderlich für die „Innovationen“ (laut Annalena Baerbock im Triell in der ARD) – aber vielleicht dachte Fr. Baerbock hier eher an „Innovationen“ im Bereich der Verbots-Umgehung und Steuer-Subventionserschleichung (man weiß ja noch aus der Schule, welche Art von „Kreativität“ dort Verbote gefördert haben). Wir brauchen positive, mitreißende Visionen, denn so gut wie jeder Mensch und jedes Unternehmen möchte einen positiven Beitrag gegen den Klimawandel leisten.
Als Mittelständler erfasst mich im Jahr 2021 eine tiefe Enttäuschung – nicht aufgrund der Politik (die uns in den Rücken fallen könnte), sondern weil ich nach der Corona-Krise darauf hoffte, mit guten Auftragseingängen schnell wieder mit unseren Unternehmen in die schwarzen Zahlen zu kommen.
Wir brauchen nach der langen Durststrecke und den finanziellen Aderlassen der letzten Jahre dringend wieder Gewinne!! Wir müssen unsere Schulden zurückzahlen, unseren Mitarbeitern endlich wieder Prämien und Lohnerhöhungen gewähren, den Reparaturstau in der Fertigung auflösen und sehr viel Geld in die Zukunft investieren – in Richtung einer klimaneutralen, energieintensiven Produktion am Standort Deutschland!
Wir haben Ideen und Konzepte, wie wir die Automatisierung und Digitalisierung für uns nutzen können. Wir stecken voller Kreativität für zukünftige Produkte, Prozesse und Werkstoffe. Wir sehen moderne, kooperative Organisationsformen für die Zusammenarbeit in unserem Unternehmen. Wir möchten unsere Mitarbeiter gut bezahlen und ihre Leistung und ihre Entbehrungen anerkennen.
Doch nach der Corona-Krise explodieren unsere Kosten. Materialpreise, Energiepreise und Transportkosten erreichen neue Rekorde. Die Banken verlangen zurecht eine schnelle Rückzahlung der Kredite, die uns in der Krise zusätzlich gewährt wurden. Wir finden nicht schnell genug qualifizierte Mitarbeiter, die uns die notwendigen Kapazitäten für die zusätzlichen Aufträge ermöglichen – zumal jeder Mitarbeiter jetzt erst einmal den Urlaub nachholt, der lange Zeit nicht möglich war.
Auf der anderen Seite lesen wir jeden Tag von den Konzernen im In- und Ausland, die neue Rekordgewinne schon im ersten Halbjahr 2021 verkünden. Was machen wir nur falsch? Sind wir die einzigen „Dummen“ in diesem Spiel? Warum kämpfen wir so hart um den wirtschaftlichen Erfolg, der den Großunternehmen im DAX nur zuzufliegen scheint? (die Antwort liegt meiner Ansicht nach insbesondere in der viel größeren Preis-Durchsetzungsfähigkeit am Absatz- und Beschaffungsmarkt der Konzerne und dem besseren Zugang zu Kapital und Subventionen – doch das ist ein anderes Thema).
Daraus entsteht ein Gefühl der Unausgewogenheit.
Gemeinsam mit einem großen Teil der Bevölkerung hat der produzierende Mittelstand das Gefühl, auf der Verliererseite zu stehen. Dabei sitzen wir als energieintensives, mittelständisches Unternehmen auch noch anscheinend auf der „Anklagebank“ und sollen mit weiteren Steuern und Gesetzen „bestraft“ werden.
Ist die Freiheit verloren? Haben risikobereite Unternehmer in diesem Land noch eine Zukunft? Können wir Menschen und Unternehmen, die Risiken eingehen und in die Zukunft investieren noch Chancen in Deutschland gewähren?
Olaf Gerlach sagt:
Ein toller Beitrag, Sie haben den Nagel voll auf den Kopf getroffen. Wir sind kein produzierendes Unternehmen und haben auf der Beschaffungsseite ebenso massive Probleme. Ich drücke Ihnen die Daumen, das es bald wieder nach vorne geht, bleiben Sie am Ball.
22. September 2021 — 18:57
Andre Kuhn sagt:
Herzlichen Dank!
22. September 2021 — 19:48
Thorsten Stark sagt:
So schreibt nur jemand, der wirklich weiß wovon er spricht. Meines Erachtens kann jeder Unternehmer in Deutschland diese Worte blind unterschreiben. Toller Beitrag – herzlichen Glückwunsch
23. September 2021 — 10:38
Andre Kuhn sagt:
Herzlichen Dank für die Ermutigung
23. September 2021 — 15:32
Ulrich Droß sagt:
Ihre Beschreibung könnte für kleine produzierende Unternehmen nicht besser sein. Als „Neuunternehmer“ im KMU-Bereich bin ich immer wieder überrascht, wie das Bild der Unternehmen und die Wirtschaftspolitik in Deutschland von großen DAX-Konzernen definiert wird.
Wird wieder Zeit für Spaß am Unternehmertum in Deutschland! Aber wer hat noch das Rückgrat in der Politik, hierfür die Bedingungen zu schaffen?
Alles Gute für die Kuhn-Gruppe!
24. September 2021 — 08:08
Andre Kuhn sagt:
Moin Herr Droß, Danke für Ihre Worte und viel Erfolg für Ihr Unternehmertun. Wir vermissen Sie aber es braucht Menschen mit Mut wie Sie!
24. September 2021 — 08:10
Guido sagt:
Das Wirtschaftwuder-Land, das Land der Dichter und Denker ist zum Land der Beschenkten, zum Land des Schlichten und Banalen geworden. Ich vermisse den Hunger, das Streben zur Verbesserung, den Mut. Da ich als Freiberufler mit vielen Firmen und auf verschiedenen Leveln, von Angestellten, zu mittlerem und oberen Management in Kontakt komme, beobachtete ich über die Jahre ein Rückgang des unternehmerischen Willens.
Es scheint als sei unsere Gesellschaft zu satt geworden zu sein, befriedigt mit Mittelmass und der Verfügbarkeit von sozialer Sicherheit. Soziale Medien und die Verbreitung von Fake-News und Konspirationstheorien lenken von wichtigen Themen ab. Wir erlauben anderen Nationen in den Bereichen Innovation und Technologie an uns vorbeizuziehen. Vordenkertum überlassen wir anderen. Unsere Politiker sind konturlos und erscheinen selbstbezogen. Ich hatte 2005 die Gelegentheit einer Graduation beizuwohnen bei derer einer der Redner sagte: “Stay hungry, stay foolish.” So einfach diese Worte auch sind, sie sind wahr, gehaltvoll und stehen für eine Geisteshaltung die ich hier in Deutschland vermisse!
23. September 2021 — 20:00