Keine Deindustrialisierung in Deutschland!

Die Energiepreise explodieren in diesem Jahr und die deutsche Industrie steht unter enormem Druck. Das renommierte Magazin „The Economist“ schreibt in einem Kommentar gar von der „Drohenden De-Industrialisierung Deutschlands“, das Handelsblatt titelt am 23. September 2022 in einem großen Sonderteil „Land am Limit“. Als energieintensives Unternehmen mit einem Stromverbrauch von über 30 MWh, den wir am Spotmarkt zu stündlich wechselnden Preisen einkaufen, und einem Gasverbrauch von gut 15 MWh pro Jahr sind wir quasi „im Auge des Orkans“. 

Doch wir sehen keineswegs schwarz. Im Gegenteil. Wir sehen die Herausforderungen in Deutschland und die hierfür entstehenden Lösungen sogar als Chance für eine Vorreiterrolle in der Welt. Wir sind der Überzeugung, nach einer sehr herausfordernden Übergangsphase neue Wege in der Energieversorgung und Energienutzung beschreiten zu können, die wirklich nachhaltig sind.

Deutschland ist bis heute völlig abhängig von freiem Zugang zu den Ressourcen Öl und Gas. Aus politischen Gründen wurde bisher jede Form der eigenständigen Energieversorgung in Deutschland z.B. durch Fracking oder Atomstrom abgelehnt. Wie kaum ein anderes Land hat Deutschland über sieben Jahrzehnte vom freien Welthandel und den weltweit geschützten und ununterbrochenen Lieferketten profitiert. Wie kaum ein anderes Land sind wir jedoch in diesen friedlichen Jahrzehnten auch hiervon abhängig geworden.

Doch mit der Pandemie hat sich gezeigt, dass die Sicherheit der globalen Lieferketten nicht mehr als selbstverständlich genommen werden kann. Zudem ziehen sich die USA immer weiter aus der Rolle des Garanten der weltweiten Sicherheit zurück. Nicht nur Nord-Stream wurde unterbrochen, auch andere Versorgungswege sind zunehmend gefährdet. Besonders betroffen sind Länder wie Deutschland, die auf internationalen Handel und die Versorgung mit Energie und Rohstoffen angewiesen sind.

Viele Menschen behaupten, für einen Industriestandort wie Deutschland, mit wenig Sonne und nur im Norden Wind, sei es unmöglich energieautark zu werden. Wir behaupten, viele Menschen unterschätzen die Macht der Innovation und der Ingenieurskunst. Es gibt so viele Ideen und Möglichkeiten in Deutschland grüne Energie zu erzeugen, zu speichern, zu verteilen und zu nutzen. Vieles läuft bereits, der Wandel passiert schon! Bereits ab 2025 werden Lösungen auf Basis von H2 in massiv zunehmendem Umfang in Deutschland zur Verfügung stehen. 

Es wird jedoch noch einige Jahre dauern, bis wir ausreichend Energie aus regenerativen Quellen für großindustrielle Prozesse in Deutschland gesichert zur Verfügung haben. Wir haben eine sehr schwierige Übergangsphase vor uns, mit hohen Energiepreisen, die das Risiko der Versorgung und die Verknappung der Ressourcen im Faktor Preis für unser Land zum Ausdruck bringen. Länder ohne Unterbrechungen der Energieversorgung (Asien) oder mit genügenden eigenen Ressourcen (USA) sind hiervon weniger betroffen.

Doch fossile Ressourcen sind endlich – und der Klimawandel passiert bereits. Wir haben die globale Herausforderung und Verantwortung unsere Energieversorgung nachhaltig neu aufzustellen. Auch andere Länder und Regionen auf der Welt werden zunehmend unter Druck geraten. 

Der Druck zur Entwicklung schneller Lösungen in Deutschland steigt mit dem Preis! Wir brauchen in den kommenden Jahren politische Unterstützung. Nicht als Fördermittel, sondern als preisdämpfende Maßnahmen auf der Angebotsseite (Atomkraft, leider sogar Kohle, Sicherung der Gasversorgung) und bei dem Abbau von Bürokratie und Regeln, die uns in der Praxis immer wieder zurückwerfen.

Die Industrie hat schon immer schneller und bessere Lösungen gefunden, solange sie Technologie-offen und unter zuverlässigen Rahmenbedingungen handeln konnte. Die Übergangsphase ist hart. Wir haben höhere Energiekosten als der Rest der Welt und müssen zusätzlich höhere Investitionen in die Erzeugung und Nutzung grüner Energie stecken.

Nach dieser Phase können wir in Deutschland erstmals in der Geschichte eine autarke Energieversorgung erreichen und werden unabhängiger von den Preisausschlägen an den weltweiten Energiemärkten. Zudem können wir als immer noch führendes Industrieland beweisen, dass selbst in unseren Breitengraden der Aufbau einer klimaneutralen Wertschöpfungskette unter wettbewerbsfähigen Bedingungen möglich ist. Ein „Win-Win-Win“ für unser Land.

Deutschland wird ein Vorbild für klimaneutrale Produktion in der Welt – das ist eine Vision, an der wir mitarbeiten möchten und zu der wir als energieintensives Unternehmen sogar einen größeren Beitrag leisten können.