Wir schreiben Anfang November 2020 und Europa wird soeben von der „2. Welle“ überrannt. Überall werden Restriktionen verschärft, um Kontakte einzuschränken und die Ausbreitung des Virus zu stoppen. Die Medienlandschaften berichten dabei von einem „starken Anziehen der Industrie“. Wir liefern unsere Produkte in über 40 verschiedene Branchen, sehen jedoch noch in keiner einzigen Branche der Industrie eine Belebung. Öffentliche Wahrnehmung der wirtschaftlichen Situation und die erlebte Realität weichen immer stärker voneinander ab. Unsere Auftragsbücher sind leer und der Auftragseingang auf einem Niveau, welches zwischen 30 und 50% unter der Planung dieses Jahres liegt.

Wie nimmt man in einer solchen Situation die Menschen im Unternehmen mit? Wie erhalten wir gute Informationen von unseren Kunden und unseren Märkten, wenn wir nur noch eingeschränkt Reisen durchführen können und die meisten Besuche sowie alle Messen und Konferenzen abgesagt werden? Wie können wir die Lage in unserem Umfeld den Mitarbeitern vermitteln, wenn persönliche Kontakte eingeschränkt sind und wir Abstand halten sollen?

Die überall gegenwärtige Antwort auf diese Fragen liegt in der Verlagerung der Kommunikation in die digitale Welt. Web-Konferenzen, Besprechungen und Workshops über MS Teams oder Zoom sind intern wie extern das Mittel der Wahl. Wir nutzen Mitarbeiterzeitung, Intranet, Handyapps, Blogs und Videologs zur Ansprache und versuchen damit, unsere Mitarbeiter zu erreichen.

Wir sprechen bei uns jedoch über den produzierenden Mittelstand. Mit Mitarbeitern aller Altersgruppen und unterschiedlichster Hintergründe. Längst nicht jeder Mitarbeiter an der Drehbank oder an der Gießmaschine hat eine hohe Affinität zu digitalen Medien. Hinzu kommt die große Herausforderung gegenseitige Kommunikation zu ermöglichen. Es geht uns besonders in diesen Zeiten darum, nicht nur zu informieren, sondern einen Dialog zu führen. Direkte Rückmeldungen zu erhalten und ins Gespräch zu kommen.

Kommunikation ist immer vielschichtig und komplex. Eine Videobotschaft ersetzt kein Gespräch und nur durch ein Gespräch und die persönliche Kommunikation kann man im Umfeld der Produktion ein gegenseitiges Verständnis erreichen und eine gemeinsame Sicht auf die Lage vermitteln.

Es geht grade jetzt darum, eine gemeinsame Sicht auf die Welt zu schaffen. Wie soll der Schlosser sonst verstehen, dass er 50% Kurzarbeit machen muss, wo es doch mehr als genug Arbeit für ihn gibt und vieles gerade jetzt in der vorbeugenden Instandhaltung möglich ist, wenn die Maschinen öfter stehen? Wie soll der Mitarbeiter in der F&E verstehen, dass er in Kurzarbeit gehen soll, wo es doch grade neue Entwicklungen sind, die uns langfristig nach vorne bringen können? Wie kann man mit den Kollegen an den mobilen Arbeitsplätzen im Vertrieb in den persönlichen Dialog kommen, um auch hier zu vermitteln, dass die Kurzarbeit aus Kostengründen und im Namen der Solidarität jetzt notwendig ist? Wie erkläre ich die Lage dem 60-jährigen Experten in der Schweißerei, der noch sein erstes Nokia-Handy besitzt und schätzt?

Wir haben den Eindruck, dass die öffentliche Wahrnehmung viele Menschen vergisst, die gerade in der Produktion bei uns mitten im Arbeitsleben stehen. Digitale Medien sind nicht die Lösung für alle Probleme. Sie sind wichtige und wertvolle Hilfsmittel und müssen genutzt werden. Sie können jedoch in der Produktion nicht die direkte Kommunikation ersetzen, welche wir brauchen, um als Unternehmen gemeinsam für unsere Kunden Lösungen zu finden. Die Welt besteht nicht nur aus Dienstleistung, IT-Berufen und Beratungsunternehmen, die seit vielen Monaten voll in die digitale Welt ausgewichen sind. So lange wir uns nicht von Bits und Bytes ernähren können, brauchen wir physische Gegenstände und Produkte, um unsere Grundbedürfnisse zu befriedigen. Wir brauchen Produktion und wir müssen die Menschen mitnehmen können, die hier arbeiten.

Das ist für uns eine zentrale Herausforderung in dieser Krise.

In unserem Unternehmen stellen wir jeden Tag unter Beweis, dass eine gute Zusammenarbeit die Basis für gute Leistungen ist. Man mag es „old-fashioned“ nennen, aber der persönliche Rundgang durch das Unternehmen, das persönliche Gespräch mit allen Ebenen und die Kommunikation von Angesicht zu Angesicht kann man nicht ersetzen – und sind grade in der Krise umso notwendiger. Mit Abstand und Mund-Nasenschutz natürlich…