Aktuell geht in Deutschland das „Gespenst“ der 4-Tage-Woche um und wird insbesondere in der Medienlandschaft und von den Gewerkschaften „beworben“. Als Familienunternehmen mit über 600 Arbeitsplätzen und einer sehr kapitalintensiven Produktion in Deutschland wäre die 4-Tage-Woche nach meiner Überzeugung das „Aus“ für den Industriestandort Deutschland. Man kann hiervor kaum eindringlich genug warnen – daher ein paar klare Worte.
Alle Parteien sind sich darüber einig, dass wir in Deutschland einen erheblichen Fachkräftemangel haben. Als eine Hauptursache wird einheitlich der demografische Wandel genannt. Dieser wirkt sich spätestens seit der Coronazeit in nahezu allen Industrieländern aus. Wir spüren ihn in unserem Unternehmen jeden Tag – uns fehlen schmerzhaft qualifizierte Arbeitskräfte auf allen Ebenen und trotz intensiver Anstrengungen können wir die offenen Stellen schon lange nicht mehr besetzen.
Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, sind „findige“ Menschen auf die Idee gekommen, die Arbeitsplätze im Handwerk und in der Industrie durch eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit attraktiver zu machen – natürlich bei vollem Lohnausgleich. Eine 4-Tage-Woche erhöhe zugleich die Produktivität und die Zufriedenheit der Mitarbeiter und sei daher ein „win-win“ für alle Seiten. Sie würde dem Zeitgeist entsprechen, die Menschen seien durch mehr Freizeit ausgeglichener und kreativer, würden sich bei der Arbeit besser einbringen können und mit mehr Freude mehr leisten. Erste Pilotprojekte im Handwerk und in Dienstleistungsunternehmen zeigen vielversprechende Resultate.
Das auch engagierte und hoch zufriedene Mitarbeiter im Zweifel lieber weniger arbeiten, wenn sie das gleiche Geld dafür erhalten können, glaube ich sehr gern. Dass heute vielen Menschen Freizeit mehr wert ist als Geld, spüren wir oft. Nicht jedoch so viel, als dass diese Menschen dann die Teilzeit wählen, auf die sie einen rechtlichen Anspruch haben. Freizeit gern – aber bitte nur, wenn der Lebensstandard dabei gehalten werden kann (auch Urlaube und Freizeit wollen schließlich bezahlt werden). Mit mehr Freizeit bei gleichem Geld sind die Menschen dann glücklicher – eine recht banale Erkenntnis.
Wir haben in der Industrie in Deutschland jedoch heute schon Herausforderungen, die kaum noch im internationalen Wettbewerb zu bewältigen sind. Wir haben mit die höchsten Energiepreise aller Industrieländer – und drohen aufgrund der Entscheidungen der Politik in den kommenden Jahren in die weitere Verknappung und Verteuerung von Energie zu laufen. Zumindest dann, wenn wenig Sonne scheint und wenig Wind weht. Darüber hinaus beklagen wir, wie die gesamte Industrie, eine zunehmende Bürokratisierung und Regulierung, die zu immer höheren Kosten und steigernder Inflexibilität führt. Beispiele hierfür können wir im Mittelstand zu Dutzenden nennen.
Wir stehen als energieintensives Unternehmen zu den höheren Energiepreisen, wenn wir damit eine Vorreiterrolle in der Welt bei der Energiewende hin zu nachhaltigen Lösungen einnehmen. Das erfordert jedoch außergewöhnliche Kraftanstrengungen über Jahrzehnte und belastet uns im Vergleich zum internationalen Wettbewerb enorm. Wir müssen unsere Anstrengungen hierfür intensivieren, um unseren Kunden trotz dieses hohen Kostennachteils einen noch besseren Nutzen bieten zu können.
Als kapitalintensives Industrieunternehmen sind wir darauf angewiesen, unsere Anlagen gut auszulasten. Nur mit hoher Auslastung können wir die hohen Investitionskosten auf möglichst viele Stunden verteilen und wettbewerbsfähig bleiben. Auch eine Automatisierung hilft hier nur bedingt, da wir in unserer Produktion von hoch komplexen Einzelteilen und Kleinserien niemals komplett „mannlos“ fertigen werden.
Wir brauchen qualifizierte Mitarbeiter – das bleibt unsere größte Herausforderung. Es gibt in Deutschland immer noch sehr viele, hoch qualifizierte und toll motivierte Menschen in der Industrie – das ist unser größter Wettbewerbsvorteil in diesem Land.
Wie kann man nur diese wertvollste, wichtigste „Ressource“ jetzt mit einer 4-Tage-Woche einschränken wollen? Wie kommt man auf die Idee, dass Maschinen und Anlagen weiterhin laufen können, wenn uns 20% der Mitarbeiterkapazität genommen wird? Wie kann man ernsthaft erwägen, dass Menschen und Maschinen „plötzlich“ in der Lage sind, in vier Tagen das gleiche zu leisten wie zuvor in fünf Tagen der Woche – wo es jedes Jahr schon eine unglaubliche Kraftanstrengung ist, die steigenden Lohn- und Gehaltskosten sowie Sozialleistungen durch stetige Produktivitätsverbesserungen aufzufangen?
Wir sollten im Gegenteil Mehrarbeit wieder lohnenswerter machen! Jeder, der möchte, sollte in der Lage sein, sich bei guter Auftragslage etwas dazuzuverdienen – ohne dass die Steuern und Sozialabgaben dies sofort „auffressen“. Mit der heutigen Besteuerung lohnt sich Mehrarbeit durch die progressiv steigenden Steuern und Abgaben kaum noch. Der Staat sollte Mehrarbeit weniger besteuern und durch weniger Sozialabgaben belegen – dies würde sofort eine enorme Bereitschaft und Freude an der Mehrarbeit fördern und die Leistungsfähigkeit der Industrie enorm stärken. Mehrarbeit führt nicht nur zu einer besseren Auslastung der kapitalintensiven Anlagen, sondern bietet vor allen Dingen mehr Flexibilität, um mit dem gleichen Mitarbeiterstand besser und flexibler auf Chancen am Markt oder Störungen im Unternehmen zu reagieren. Das ist der Schlüssel zur Kundenzufriedenheit und Wettbewerbsfähigkeit!
Wir wollen im internationalen Wettbewerb erfolgreich sein – als Individuum, als Unternehmen wie auch als Volkswirtschaft in Deutschland.
Angela Duckworth hat hierzu seit Jahren mit ihrem Bestseller „Grit“ notwendige Voraussetzungen für den Erfolg analysiert. Erfolg wurde von ihr als Produkt von Einsatz und Können definiert: Erfolg = Einsatz x Können. Wir benötigen als Unternehmen wie als Individuum hohen Einsatz und hohes Können als notwendige Voraussetzung, um Erfolg zu haben. Können (oder auch Knowhow/Kompetenz) erarbeitet man sich mit der Zeit durch Talent und Einsatz: Können = Einsatz x Talent. Mathematisch folgt hieraus: Erfolg = Einsatz2 x Talent. Anders gesagt: Einsatz zählt doppelt, überstrahlt alles andere. Oder wie der Volksmund es einfacher sagt: ohne Fleiß kein Preis….
In der Utopie der „schönen, neuen Welt“ werden uns in Zukunft die Roboter und Computer die Arbeit abnehmen und wir werden mit immer weniger Arbeit einen auskömmlichen Lebensstandard genießen können. Ich liebe „Star Trek“, wo diese Zukunftsvision positiv beschrieben ist. In der Realität ist der größte Teil der Weltbevölkerung jedoch noch auf einer Stufe, wo Fortschritte dringend notwendig sind, um jedem Menschen auf der Welt in diesem Jahrhundert ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. So lange es Länder gibt, wo die Menschen „hungrig“ nach Erfolg, Fortschritt und besseren Lebensbedingungen bleiben, können wir es uns in Deutschland nicht leisten, uns „auszuruhen“. Wir müssen wettbewerbsfähig bleiben, ansonsten verarmen wir, werden wir unsere sozialen Systeme nicht mehr bezahlen können und als Gesellschaft auseinander fallen.
Der Wille zur Leistung, der Stolz auf unsere Arbeit, unser Können und unser Einsatz haben uns als Unternehmen wie als Land unseren Erfolg gebracht. Die Menschen in unserer Unternehmensgruppe wollen weiterhin erfolgreich sein. Dafür braucht es immer noch viel Arbeit, nicht weniger….