Dienstwagenordnung

Eine Unsitte in der deutschen Wirtschaft ist aus unserer Sicht die „Dienstwagenordnung“. Hierzu die kurze, wahre Geschichte von einem Kundenbesuch bei BorgWarner Turbo Systems in Kirchheimbolanden vor einigen Jahren:

Alle Besucher – also Lieferanten ebenso wie Partner und Kunden – werden per Hinweisschild auf den „Besucherparkplatz“ geleitet, der bereits früh morgens völlig überfüllt ist. Nach längerer Suche haben wir einen Parkplatz in einer der hintersten Ecken gefunden und durften in strömendem Regen einen Weg von etwa einem Kilometer bis zur Pforte des Unternehmens antreten. Direkt hinter der Pforte gab es wenige Meter vor dem Haupteingang etwa zehn reservierte Parkplätze. Darauf stand eine Auswahl von Audi-Limousinen, streng geordnet von A4 (weiter weg vom Eingang) bis A6 (direkt vor dem Eingang) – alle in Dunkelgrau oder schwarzem Lack gehalten. Der Wagen direkt vor dem Eingang hatte die Typenbezeichnung „3.0 TDI“ am Heck, die beiden Wagen daneben „2.4 TDI”, danach ein „2.0 TDI“. Hackordnung in Perfektion, in aller Deutlichkeit zur Schau getragen. Schnell ist jedem Besucher klar, wer hier wichtig ist (der Chef) und wer nicht (der Kunde).

Die Welt ist bunt. Jeder Mensch ist anders. Die Automobilindustrie bemüht sich seit Jahren, jedem Typ mit immer mehr Nischenmodellen gerecht zu werden. Autofahren ist pure Emotion – ich denke, nirgendwo sonst wird auf der ganzen Welt so viel Geld für emotionale Faktoren wie beim Auto ausgegeben. Wir in Deutschland leben sehr gut davon und treiben die Entwicklung erfolgreich voran.

Unter einem Dienstwagen habe ich immer eine motivierende Komponente des Vergütungspakets verstanden. Aus dieser Logik heraus erfüllt ein Dienstwagen seinen Zweck, wenn der Nutzer morgens mit einem Lächeln einsteigt und sich an der höchst emotionalen Komponente des Autofahrens erfreut. Autos sollen Freude bringen, dann erfüllen sie ihren Nutzen. Auch das ist natürlich kein Zwang – für manche Menschen ist die Lösung der Wahl der immer wieder gleiche Sharan in gleicher Ausstattung und für andere – zunehmend jüngere – Menschen die BahnCard 100 in Verbindung mit einer „DriveNow“-Kundenkarte.

Warum werden Dienstwagen dann von so vielen Unternehmen in Zwangsjacken gesteckt und aufs Genaueste reglementiert? Es ist doch reine Verschwendung, so viel Geld für etwas auszugeben, was dann wieder durch Restriktionen in seinem Nutzen (also Freude für den Mitarbeiter) derart eingeschränkt wird. „Neid“, „Gerede“, „Ansehen“ und „Verwaltungsaufwand“ sind hier gern gebrauchte Argumente.

Wir haben in der Arbeitswelt so viele Anforderungen und immer mehr interne und externe Regeln zu beachten. Lasst den Menschen doch ein wenig Freude – in der Kaffeeküche, am individuellen Arbeitsplatz oder am Dienstwagen für diejenigen, die ihn zur Verfügung bekommen und sich für Autos begeistern können. Und er darf auch gerne knallbunt, exotisch und einmalig sein, so wie wir Menschen nun einmal sind.