Nationalismus – Protektionismus – Populismus

Überall auf der Welt protestieren die Menschen gegen die Globalisierung und die Veränderungen in der Gesellschaft, Politik und Wirtschaft. In jedem Land von Europa über Nordamerika bis nach Asien sind die Menschen interessanterweise der gleichen Meinung: dass es sie in ihrem Land besonders hart trifft; dass die Umstände bei ihnen besonders eklatant sind und dass sie die Verlierer dieser globalen Veränderungen sind, während andere Menschen und andere Länder zu den Gewinnern zählen.

Fakt ist leider, dass überall auf der Welt die Mittelschicht unter Druck gerät – es geht nicht mehr aufwärts. Das ist für Deutschland hart – aber es ist noch schlimmer für die Länder, wo eine Mittelschicht noch gar nicht richtig entstanden ist.

Die Antworten auf die Sorgen der Menschen liefern heute wie vor 80 Jahren wieder einmal die Demagogen: Sie liefern „einfache“ Antworten und behaupten, die Ursache liegt am globalen Handel, an den Ausländern, am ungezügelten Kapitalismus oder an der Ausbeutung durch das „Establishment“. Linke wie Rechte erheben überall auf der Welt die gleichen Forderungen wie in den 30er-Jahren – die „alten Rezepte“ sind wieder gefragt, obwohl sie schon damals in die Katastrophe führten. Die Rechten wollen die Abschottung von anderen Ländern und die Bevorzugung der eigenen „Rasse“ (auch wenn sie es heute vornehmer ausdrücken), die Linken fordern die Enteignung der wohlhabenden Schichten und alle Macht dem Staat (Beamte sollen es vermeintlich besser können als ein mündiger Bürger).

Der Kabarettist und Physiker Vince Ebert beschrieb es auf Facebook sehr treffend: Globalisierungsgegner in Deutschland protestieren lauthals und mit ausgiebiger Pressebegleitung, gekleidet in Jacken von North Face, schießen Fotos mit Produkten von Apple oder Samsung und posten ihre Aktivitäten fleißig auf Snapchat, Instagram und Facebook. Welche Ironie …

Die Vorteile der Globalisierung und Digitalisierung sind selbstverständlich geworden. Keiner denkt darüber nach, warum wir kostenlos und auf einfachste Weise unsere sozialen Netzwerke nutzen könne, ein Handy mit der Rechenpower eines Großrechners in der Hosentasche tragen oder jede neue Fernsehergeneration die doppelte Auflösung zum halben Preis bietet.

Als mittelständisches Familienunternehmen in der traditionellen Industrie der Produktionsgüter stecken wir dabei mitten im Leben und bekommen die Herausforderungen der neuen Welt jeden Monat schmerzlich zu spüren. Kunden fordern spätestens seit dem „Lopez-Effekt“ stetig Preisnachlässe, da sie sonst ins Ausland abwandern (müssen). Auf der anderen Seite steigen die Kosten – insbesondere die Personalkosten von Jahr zu Jahr. Der Ausweg besteht in einem ungeheuren Druck auf die Produktivität, der die Menschen in den Unternehmen jedes Jahr aufs Neue an die Grenzen der Leistungsfähigkeit treibt.

Doch die Industrie ist dabei insgesamt überaus erfolgreich! Wir sind ein „Opfer unsers eigenen Erfolges“. Jedes Jahr gelingt es den meisten Industrieunternehmen tatsächlich, durch verbesserte Organisation und technologische Weiterentwicklung die Produktivität zu steigern. Die Folge davon ist dennoch, dass immer weniger Unternehmen in der Lage sind, den Bedarf von kaum noch wachsenden Märkten zu decken. China war die letzte, ganz große „Wachstumsstory“ auf der Welt. Doch China ist versorgt, die industriellen Investitionen zur Versorgung der Bevölkerung sind größtenteils getätigt und sind teilweise – wie im Bereich der Stahlherstellung – bereits weit über den Bedarf des Landes hinaus geschossen. Wir haben weltweit gesättigte Märkte und zusätzliche Produktivitätssteigerung gehen daher zwangsläufig zu Lasten der Arbeitsplätze. Es ist die „schöne neue Welt“, von der wir einstmals träumten, wo immer weniger Menschen dafür arbeiten müssen, damit ein Großteil der Menschheit mit den Grundbedürfnissen versorgt ist. Wir wissen nur nicht, was wir jetzt damit anfangen sollen …

Es ist pure Dummheit oder – wie ich Donald Trump und anderen Politikern unterstelle – gezielter Populismus, in dieser Lage den Menschen zu versprechen, die „Jobs wieder nach Hause zu holen“. Welche Jobs sollen denn bitte „nach Hause“ geholt werden – zurück in die USA oder nach Deutschland? Wollen wir hier in Zukunft wieder T-Shirts oder Schuhe zusammennähen? Oder meinen wir tatsächlich, wir seien in der Lage, Produkte wie ein iPhone oder einen Tablet-PC wirklich wieder in unseren Ländern lokal produzieren zu können – ohne Know-how, ohne die notwendige Supply-Chain und Infrastruktur? Wollen wir die Hälfte der Bevölkerung zurück auf die Felder schicken, um ohne Traktoren und Mähdrescher wieder Lebensmittel in Knochenarbeit anzupflanzen – damit „die Jobs zurück im Lande sind“?

Die Zeiten lassen sich nicht zurückdrehen. Globalisierung und Digitalisierung stellen uns vor erhebliche Herausforderungen und lassen ganze Industrien sterben. Bei allem Druck, dem unser kleines Industrieunternehmen ausgesetzt ist, bin ich heilfroh, dass wir nicht in Branchen wie dem Bankwesen, der Versicherungen, dem Einzelhandel oder der Distribution von Medien tätig sind. Hier verschwinden gerade ganze Bereiche, während Neues entsteht.

Anstelle auf „die anderen“ zu zeigen und Ausländer, andere Länder oder andere Bevölkerungsschichten zu verurteilen, sollten wir uns am eigenen Schopf packen. Die Welt können wir nicht verändern und die Entwicklung nicht stoppen. Wir können uns aber selbst verändern und hieran anpassen. Wo viele Bedarfe verschwinden, entstehen gleichzeitig Neue und einige Berufe sind gefragter als jemals zuvor: haben Sie beispielsweise einmal versucht, einen guten Handwerker zu finden, einen Webdesigner oder einen Steuerungselektroniker? Nicht allen Menschen gelingt der Umschwung und es wird wie immer Gewinner und Verlierer bei großen Veränderungen geben. Angst, Nationalismus und Populismus sind aber in diesen Zeiten die schlechtesten Ratgeber und wir sollten aus der Geschichte lernen.

Hoffentlich können wir diesmal in Deutschland durch Stabilität und Weitsicht ein leuchtendes Beispiel in der Welt bleiben und zeigen, wie man mit Wandel konstruktiv, mutig und erfolgreich umgehen kann.