Japan – das Land des ewigen Lächelns? Ist Ihnen ein Land wie die Schweiz zu chaotisch, unordentlich und undiszipliniert? Dann könnte Japan genau das Richtige für Sie sein!

Nach mehreren beruflichen wie privaten Reisen in Japan ist es für mich immer wieder erstaunlich, wie extrem ordentlich, diszipliniert und reglementiert dieses Land ist. „Die Zwangsjackengesellschaft“ nannte es der japanische Autor Masao Miyamoto (https://en.wikipedia.org/wiki/Masao_Miyamoto).

Makellos ist der Randstreifen der Autostraße bepflanzt, lückenlos sind die Grundstücke in den Vororten von Tokio wie ein Bonsaigarten gehegt und gepflegt, sodass kein Quadratzentimeter ungenutzt bleibt. Obwohl man oft lange nach einer Mülltonne auf den Straßen sucht findet man nirgends auch nur ein weggeworfenen Strohhalm und an den Ampeln bleiben selbst in der Großstadt Tokio alle Fußgänger auch um Mitternacht vor dem Rotlicht stehen – ohne jeden Verkehr auf der Straße.

View from the sky tree

Tokyo from above – view from the sky tree

Das äußere Erscheinungsbild spiegelt sich in einer Fülle von Regeln im Umgang miteinander wieder. So habe ich gelernt, dass man auf der schönen Strecke um den Kaiserpalast nur gegen den Uhrzeigersinn laufen darf (was natürlich auch nur auf Japanisch auf den Schildern zu lesen ist) und auch nur auf bestimmten Wegen. So findet man sich als Läufer in den Morgen- und Abendstunden schnell innerhalb einer Menge von gleichförmig laufenden Menschen wieder, die wie in einem Wettbewerb einheitlich die vorgeschriebene Bahn auf dem Gehweg verfolgen.

Auch als Kunde hat man sich genau an Regeln zu halten. So wurden wir mit dem freundlichsten Lächeln und tiefen Verbeugungen beim Check-in darauf hingewiesen, dass das maximale Gewicht des Gepäcks in der Economy-Class 20 Kilo betrage. Vor den Augen der wartenden Menschenmenge mussten wir so lange Gegenstände aus dem Koffer herausnehmen, bis die Wage exakt 20 kg anzeigte – auch 20,5 kg wurden nicht akzeptiert. Über den Unsinn, die Bücher dann als Handgepäck zu transportieren, brauchte man nicht zu diskutieren – zwecklos, so sind die Regeln. In einem anderen Fall mussten wir beim Verlassen einer Veranstaltung die Eintrittskarte noch einmal vorweisen. Jemand aus unserer Gruppe hatte sie leider verloren, und es dauerte eine Viertelstunde und die Beteiligung mehrerer (leider auch nur Japanisch sprechender) Vorgesetzter, bis wir hinausgehen konnten – der Sinn dieser Kontrolle, die ja auch beim Zutritt richtigerweise schon erfolgt war, erschloss sich uns bis heute nicht.

The busiest intersection in the world.....

Shibuya crossing – the busiest intersection in the world…..

Wo viele Regeln den Alltag beherrschen, kann man sich dafür auf die Qualität der Produkte und Dienstleistungen voll verlassen. Edwards Deming führte in den 50er- und 60er-Jahren in Japan das Qualitätsmanagement nach festen Regeln und Normen ein, was den Siegeszug japanischer Produkte begründete und überall auf der Welt zunächst in der Produktion, später auch in Dienstleistungsbereichen sehr erfolgreich übernommen wurde (https://en.wikipedia.org/wiki/Quality_management). Die wesentlichen Ideen der heute weltweit als Grundlage dienenden Qualitätsmanagement-Norm DIN-ISO 9000 basieren auf diesen Anfängen.

Im Alltag ist dies sehr angenehm: Nirgendwo funktionieren Automaten z.B. bei der Erkennung von Geldscheinen so schnell und zuverlässig wie in Japan. Die Züge fahren überall auf die Minute pünktlich. Die Toiletten sind auch in öffentlichen Bereichen sehr gepflegt und sauber. Lebensmittel „made in Japan“ sind normalerweise etwas teurer, aber immer von hervorragender Frische und Qualität. Die hohe Zuverlässigkeit japanischer Autos und Maschinen ist weltweit bekannt und geachtet – auch in unserer Produktion setzen wir Zerspanungsmaschinen aus Japan seit den 80er-Jahren sehr erfolgreich ein. Der aus deutscher Sicht traurige Beweis der Überlegenheit der japanischen Werkzeugmaschinenindustrie zeigte sich auch, als MoriSeiki den führenden Maschinenbauer DMG aus Deutschland im Jahr 2013 komplett übernommen hat (https://de.wikipedia.org/wiki/DMG_Mori_Seiki_AG).

Als Kunden stellen Japaner höchste Ansprüche auch in kleinsten Details, was man auch als deutscher Lieferant erst lernen muss. Dies betrifft insbesondere auch die Feinheiten in der Dokumentation, Beschriftung und Verpackung selbst von Industrieprodukten wie Maschinen- und Anlagenkomponenten, wie wir sie herstellen. Auch hier erschließt sich aus deutscher Sicht nicht immer der Sinn, wenn z.B. auch bei der fünften Lieferung wieder die gleiche Prozessbeschreibung mit angefordert wird und kleinste Ungenauigkeiten sofort bemängelt werden. Doch der Markt und die Mentalität setzen hier den Maßstab, den aus japanischer Sicht weltweit kein anderes Land erfüllen kann – nur Deutschen und Schweizern traut man ggf. noch zu, überhaupt in die japanische Liga vorzustoßen. Als Ausländer bekommt man diesen subtilen Überlegenheitsanspruch der Japaner zu spüren – wobei es wie immer auch hier viele Ausnahmen in Form von weltoffenen, toleranten und sehr interessierten Menschen gibt.

Dass der Siegeszug der japanischen Wirtschaft mittlerweile gebrochen ist, könnte auch an der Demographie der am schnellsten alternden Gesellschaft der Welt liegen. Schon heute ist die Menge älterer Menschen im Straßenbild deutlich und jeder internationale Konzern hält sich daher mit Investitionen in diesem Land stark zurück – mit dem Hinweis auf die schrumpfenden Märkte. Die Anzahl der verkauften Autos in Japan wird zum Beispiel im Jahr 2015 noch etwa 6,7 Mio. Stück betragen – im Jahr 2025 könnte dies auf 5 Mio. Stück zurückgehen. Selbst für japanische Autohersteller ist dies zu wenig, um noch im eigenen Land zu investieren. In der Elektronik ist Japan noch in vielen Bereichen führend und in der Robotik um Meilen voraus. Die „echte Musik“ wird aber mittlerweile in Märkten in Korea, China und Taiwan „gespielt“, wo sich die Halbleiterindustrie immer stärker konzentriert.

Ein faszinierendes Land mit hohen Eintrittshürden für ausländische Unternehmer und einem schwierigen Markt. Ein Land, aus dessen kulturellem Hintergrund wir Deutsche viel lernen können, auch wenn sich die hier herrschende Kultur auf fast allen Gebieten auf chinesische Ursprünge zurückführen lässt. Ein Land, welches in Asien aufgrund seiner aggressiven, äußerst brutalen Vorgehensweise im zweiten Weltkrieg in Ländern wie China und Korea noch immer verachtet und sogar gehasst wird, und dessen Kriegsgeschichte bis heute noch nicht aufgearbeitet wurde. Ein Land voller Gegensätze also, was sich unbedingt lohnt, einmal kennenzulernen!