„Prognosen sind immer schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.“ (Ebenso unklar ist leider laut Wikipedia, von wem dieses viel genutzte Zitat stammt.)
Wer denkt nicht oft über die Zukunft nach? Voller Freude oder voller Sorge, voller froher Erwartungen oder voller pessimistischer Gedanken? Wer fragt sich nicht, was kommen wird?

Dieser Artikel handelt von der zunehmenden Komplexität und den Herausforderungen, überhaupt noch für die Zukunft zu planen – denn wir scheinen vor den größten Veränderungen der Menschheit der letzten Jahrhunderte zu stehen.

Es gehört zur guten Unternehmensführung, möglichst weitsichtig zu planen und das Unternehmen in die richtige Richtung weiter zu entwickeln. Eine spannende, herausfordernde Tätigkeit – nicht zuletzt deshalb, weil sich die Rahmenbedingungen – die äußeren Umstände – permanent ändern.

Seit vielen Jahren läuft die Planung in unserem Unternehmen dank ausgezeichneter Beratung durch Weismann & Cie. (weissman.de) fast genau nach Lehrbuch. Wir entwickeln eine gemeinsame Vision von der langfristigen Unternehmenszukunft, malen das Bild in unseren Köpfen und bringen es möglichst konkret, fassbar, verständlich und emotional motivierend zu Papier. Auf Basis dieser Vision, der großen Trends in unseren Märkten und in unserer Umwelt sowie unserer eigenen Kernkompetenzen, Stärken und Schwächen entwickeln wir dann die Strategie der nächsten fünf Jahre als den Weg in Richtung dieser Vision. Jedes Jahr setzen wir uns dann die Unternehmensziele mit Teilzielen und Maßnahmen, anhand derer wir uns weiter entwickeln wollen.

Ich bin ein Fan dieses Prozesses, der uns über die Jahre systematisch weiter bringt – wenn wir uns wirklich diszipliniert daran halten.Das funktioniert im Tagesgeschäft mal besser, mal schlechter – aber es funktioniert.

Doch von Jahr zu Jahr werden die Vorausschauen immer kurzfristiger. Selbst die Geschäftsführer von großen, sehr langfristig orientierten Familienunternehmen gestehen unter vier Augen ein, dass sie im Prinzip „nur noch auf Sicht“ fahren und sich die Zukunft in immer dichterem Nebel verbirgt.

Die Weltwirtschaft scheint immer mehr den Wettervorhersagen zu ähneln. Hier lehrte uns bereits in den 80er-Jahren die Chaostheorie der Physik, dass “der Flügelschlag eines Schmetterlings in Australien darüber bestimmen kann, ob in Florida ein Tornado entsteht.“ Auch bei noch so detaillierter Kenntnis der Ausgangslage ist es unmöglich, die Zukunft auch nur annähernd vorher zu sagen. Dies betrifft einfache, nichtlineare Physikexperimente wie ein Doppelpendel ebenso wie unser Wetter oder die Aktienkurse (https://de.wikipedia.org/wiki/Chaosforschung). Der Ökonom Kjell Nordström (http://kjellnordstrom.eu) aus Stockholm beschreibt unsere Gesellschaft in seinem neuesten, äußerst lesenswerten Buch „Urban Express“ als ein „chaotisches System 2. Ordnung“, in welchem wir uns bewegen (http://www.urbanexpress.se/en/). Da diese Nicht-Vorhersagbarkeit solcher Systeme mathematisch erwiesen ist, verblüfft es doch immer wieder, wieviel Aufwand Menschen betreiben, um das Wetter oder die Märkte dennoch langfristig zu prognostizieren. (Anmerkung zum Titel von Kjell Nordström: ein System 2. Ordnung beschreibt man selbstbezügliche Systeme, in der der Beobachter Teil der Beobachtung ist).

Mit einfachen Worten: Jede Prognose der Zukunft ist an den Haaren herbei gezogen, auch wenn sie noch so schlau daher kommt.

Dennoch lassen sich einige Trends erkennen – hier ein paar Stichworte:

Die unglaubliche Verschuldung, angefeuert durch das „billige Geld“ der Null-Zins-Politik: Zins und Zinseszins sind eine Exponentialfunktion und können daher nicht dauerhaft zu einem stabilen System führen. Schulden wachsen überall und auf allen Ebenen dramatisch – in Privathaushalten in der Wirtschaft wie auf allen Länderebenen.

Die Politik versucht mit dem „billigem Geld“ die Wirtschaft „anzukurbeln“: Seit dem Jahr 2008 sind die weltweiten Schulden um mehr als 40% angestiegen – jedoch ohne ein nennenswertes Wachstum zu erzeugen! (Quelle: F. Malik: Navigieren in Zeiten des Umbruchs, 2015)

Wann werden es zu viele Schulden? Wann werden so viele Schuldner ausfallen, dass wie in einer Kettenreaktion das ganze Finanzsystem kippt (was 2008 beinahe geschehen wäre)? Wer glaubt noch ernsthaft, dass diese Schuldenberge jemals zurück gezahlt werden können?

„Megatrend“ demografische Entwicklung: Die Überalterung der Gesellschaft steigt überall auf der Welt drastisch, in den entwickelten Ländern inkl. China in Kombination mit einer extremen Urbanisierung. Hinzu kommt die grade höchst aktuelle, möglicherweise in diesem Umfang noch nie dagewesene Dimension der Völkerwanderung.

Unsere ökologische Entwicklung ist global betrachtet ebenfalls dramatisch. In Deutschland nimmt man dies im Alltag kaum wahr, wer aber nach China oder in andere asiatische Länder reist und erfährt, welche schlimmen Verhältnisse dort in Bezug auf die Qualität von Luft und Wasser herrschen ahnt, dass es zu durchgreifenden Veränderungen kommen muss.

Im Internet findet eine Explosion von Daten statt, die durch die automatisierte DNA-Entschlüsselung im kommenden Jahrzehnt noch einmal vervielfacht wird (Anmerkung: Es wird angenommen, dass die Daten aus der DNA-Entschlüsselung bereits im Jahr 2018 die Daten aller Videofilme im Internet bei Weitem übertreffen werden). Die Bedeutung und Interpretation von Daten wird immer entscheidender, denn im Prinzip sind fast alle Daten schon vorhanden, wir wissen nur nicht wie wir sie richtig verknüpfen und anwenden können…

In der Wissenschaft und Technik stehen wir vor höchst bedeutsamen Durchbrüchen in einer ganzen Vielzahl von Disziplinen: Materialwissenschaften, Energieforschung, Biotechnologie, Robotik, Gentechnologie, Neurologie, Krebsforschung, Wearables, Digitalisierung und Industrie 4.0 – um nur einige Stichworte zu nennen, hinter denen sich in den nächsten Jahren neue Revolutionen verbergen können.

Doch der Philosoph Richard David Precht hat im Oktober 2015 unsere Lage sehr treffend mit einer „portugiesischen Galeere“ verglichen. Es handelt sich hier um eine sogenannte „Staatsqualle“ aus einer ganzen Kolonie voneinander abhängiger, hoch spezialisierter Polypen. Die gesamte Erscheinungsform agiert wie ein einzelnes Lebewesen, ohne dass es irgendwo ein zentrales, steuerndes Organ gibt. Faszinierend – so erscheint es heute auch in unserer Welt zu laufen. Wir haben sehr viele, sehr intelligente und hoch spezialisierte Experten an wichtigen Schlüsselfunktionen unserer Gesellschaft – jedoch scheint es keine steuernde Funktion mehr zu geben.

Stehen wir, wie es Prof. Malik ausdrückt, vor der nächsten großen Transformation in der Menschheitsgeschichte?

Können wir dann als Individuum wie auch als Unternehmen nur noch reagieren und uns nur „auf Sicht“ noch möglichst flexibel aufstellen? Sind Ziele und Strategien jetzt überflüssig, da es sowie anders kommt als man denkt?

Unsere Antwort: ein entschiedenes „Nein!“

Auch wenn wir nicht wissen, wo die Märkte und die Gesellschaft in einem Jahr stehen können und müssen wir uns weiter entwickeln. Je wettbewerbsfähiger und stärker wir als Unternehmen sind, desto eher können wir Krisen meistern und von Veränderungen profitieren.

Es geht darum wie beim Schach Heuristiken oder Handlungsstrategien zu erstellen, um die eigene Position zu verbessern. Auch wenn wir nicht wissen, welche Lösung in Zukunft genau gefordert ist wissen wir dennoch, welche Strategien erfolgsvorsprechend sind: die Stärkung unserer Wettbewerbsposition, unserer Schnelligkeit, unserer Kernkompetenzen und die Nähe zum Kunden und zum Markt.

Klein- und mittelständische Unternehmen sehe ich hier sogar besser aufgestellt: Mit unserer schnellen Anpassungsfähigkeit sollten wir großen Unternehmen grade in Zeiten vieler Veränderungen tendenziell überlegen sein und Chancen, die sich hier unvermeidlich auch bieten, schneller wahrnehmen können.

Stehen wir vor einem neuen Zeitalter, in dem – wie Malik es beschreibt – die Kinder die Welt ihrer Großeltern nicht mehr verstehen können? Es sind spannende Zeiten, doch gerade das macht diese Zeit so lebenswert! Angst ist oft eine reflexhafte Reaktion auf Ungewissheit, doch im Vertrauen auf unsere Stärken als Individuum, als Unternehmen und als Gesellschaft können wir uns auch darüber freuen, mit zu gestalten und so viel Neues erfahren zu dürfen. Wenn ich unsere Lage mit der meiner Elterngeneration während und nach des Krieges vergleiche so empfinde ich unsere Sorgen als klein im Vergleich zu ihren damaligen existenziellen Nöten und bin mehr als dankbar, in der heutigen Zeit in unserem Land leben zu dürfen.

Schaun wir mal 😉